Liebes Archiv…Einträge vom Mai 2005

Knochenjob - 19. Rabi'II 1426

Dromedar sein ist nichts für Weicheier. Dromedar sein ist ein Knochenjob. Hast zwar schön große Füße um nicht im Treibsand zu versinken, einen klasse Höcker um es eine Weile in der nackten Wüste auszuhalten, überdimensionierte Augenlider um die Pupillen nicht gesandstrahlt zu bekommen und ein genügsames Wesen, aber irgendwann biste das Leben auf dem Trockenen satt. Das ewige Rumgelatsche, das Herumkauen auf verdörrten Blättern, der ständig unangemeldet hereinschneiende Sandsturm, die Einöde und die immer gleich blöd dreinschauenden Mitläufer. Dann fällste am Straßenrand einfach auseinander und übrig bleiben ein paar Knochen für die Elendstouristen. Weiter nix.

Frisieren vier Maak -
[Mittwoch, 17. Rabi'II 1426 - 25. Mai 05]

Blaukariertes Linoleum. Alter Frisierstuhl "Made in Japan" in freundlichem Weinrot. Zwei Wände mit durchgesessenen Sofas. Eine Anrichte (darauf alles was ein Friseur braucht) mit kleinem Fernseher mit Fußball auf arabisch. Zwei junge Araber, stehend, einer mit Basecap (will sich frisieren lassen), einer im Nachthemd. Ein älterer Araber mit drei Strähnen über dem schütteren Haupt (der Friseur). Ein Fremder grüßt und macht ein Zeichen für Haareschneiden. Basecap unterbricht das Gespräch, nimmt die Kopfbedeckung ab und setzt sich in den Stuhl. Fremder nimmt in ausgebeultem Sessel platz. Schwarze Haare unter dem alten Waschbecken zusammengefegt. Turkiye? fragt der Araber. Glaubt almani nicht. Gespräch verebbt. Spitzenschneiden und barbieren für den jungen Araber. Fertig. Jetzt der Fremde. Zeigt ein Foto. So soll's aussehen. Los geht's. Rasierer für die Seiten, Schere fürs Deckhaar. Almani und german im Hintergrund. Hilfloses Lächeln. Friseur ist Ägypter. Ein Beduine (sagt der Junge in Weiß). Halbzeit. Haare fertig. Oben noch was zu lang. Bleibt so. Danke (Shukran). Macht 10 Rial. Tschüß.

Zeichen der Zeit - 13. Rabi'II 1426

Die Sonne senkt sich dem Horizont entgegen. Der gute Muslim ist alarmiert: Zeit für das Maghrib, der Ruf ist schon raus. Dies ist der Blick aus einem meiner Schlafzimmerfenster, nach hinten raus, wo der Hauptstraßenlärm nicht mehr stört. Am wolkenverhangenen Himmel läßt sich erkennen, daß auch wir hier nicht ohne Regen sind, und das ist meist sehr angenehm. Nachteilig wirken sich nur die in Streifen herumhängenden Wischerblätter unserer Autos aus, Sicht bei Regen eingeschränkt.

Achtung, eine Riesenwelle! -
[Sonntach, 15. Rabi'II 1426 - 22. Mai 05]

...schreit Marky Mark. Boah ey, alle würfeln durcheinander, die nasse See schlägt über ihnen zusammen. Doch endlich werden die strammen Kerls wieder sichtbar, das salzige Zeug zieht sich mal kurz vom Deck zurück. Einer blutet an der Schnute, alle gucken komisch. So, jetzt noch so 'ne Welle, wo es so schön spannend ist! Und lo...Bing! Werbung. Klementine will uns erstmal ihr Omo ans Herz legen. Klasse! Hält ja auch keiner aus, soviel Spannung. Auch wenn dieses Filmchen schon etwas Moos angesetzt hat. Das Angebot anspruchsvoller Filme ist ja etwas dürftig, gut daß sie wenigstens gekonnt unterbrochen werden. Man kann in den fünf Minuten in Ruhe pinkeln gehen, sollten sich diese GEZ-Geier mal 'ne Scheibe abschneiden. Gibt's schon die Auswertung der repräsentativen Umfrage, wieviele Bedauernswerte auffem Soffa neben Mutti unruhig umhergerutscht und dann der Inkontinenz anheimgefallen sind??

So. Pause Nummer Eins ist vorbei und ich bin wieder mitten drin. Achtung, eine Riesenwelle! schreit Marky Mark. Boah ey, alle würfeln durcheinander, die nasse See schlägt über ihnen zusammen. Endlich werden die strammen Kerls wieder sichtbar, das salzige Zeug zieht sich mal kurz vom Deck zurück. Einer blutet an der Schnute, alle gucken komisch. Und Zuschauer sind so dämlich wie diese Macher glauben. Zumindest wollen die mich wissen lassen, daß der Film zu kurz für den Standard-Abendprogrammplatz ist und wir als Belohnung die schönsten Szenen zweimal genießen dürfen.

Fast vorwärts. Da hamwa den Salat. Dem Wetterfrosch mit den glänzenden Augen geht gleich einer ab, und die Fischerfreundin vom schönen Georg ist ziemlich verzweifelt, weil er Kurs auf die zwei Hyper-Mega-Ultra-Stürme nimmt und zwischen ihnen zermalmt werden wird. Sie brüllt ihn durchs Funkgerät an bis der Kontakt abbricht, flennt. Mann, jetzt wird's spannend!

Schneller Schwenk auf uns Günter, der eine Waschmaschine loswerden muß. Spült besser als er. Ich mach den Ton aus (meine Empfehlung an alle Betroffenen ). Da kann einem ja schlecht werden. Wenn, wie man hört, die Werbeeinnahmen der Sender schrumpfen, geht es mir vielleicht nicht allein so. Und sie wissen es!!! Die Schweine!!!
So, fast sind die langen Minuten um, da drückt mich was - wie unpassend - und ich muß mal aufs Klo. Jetzt! Hilft nix.

Komm ich wieder, was seh ich? Ich seh, daß ich die wiederholt heulende Fischerfreundin verpaßt hab und sich die Gaile Andrea schon mutterseelenallein durch die Monsterwellenberge kämpft. Dann werde ich unsanft in die dritte Pause geschubst (die Küstenwache wollte just Anlauf nehmen, um die zwei verpaßten Hochseeschwimmer aufzunehmen.."wir schaffen das wir schaffen das..." bing...Haarpflege - braucht schließlich jeder), und die böse Vermutung bestätigt sich : Zuschauer sind wirklich so doof. Aber wenn der - zugegeben spannende - Film irgendwann mal zuende ist, bin ich für eine Weile vom Spielfilmgucken bei den Privaten geheilt. Ganz sicher.

Beten nervt -
[Samstach, 14. Rabi'II 1426 - 21. Mai 05]

Auf die Gefahr hin das Thema überzustrapazieren: Wie ich gerade gelesen habe, gab es im europäischen Mittelalter noch nervigere Gebetsriten, nämlich um Mitternacht, um 3Uhr morgens, um 6Uhr morgens (Sonnenaufgang, wie auch hier) und um 18Uhr. Da geht's uns bei den Muselmanen doch noch gut.

Saudisches "Fast Food" -
[Mittwoch, 10. Rabi'II 1426 - 18. Mai 05]

Schlechtes "Timing". Hatten uns für 19:00 zum Essen verabredet, also kurz nach dem vierten Gebet. Leider mußte eine Hälfte der Truppe "noch schnell" was erledigen und es wurde 19:45...mal abgesehen von der deutschen Pünktlichkeit, die Zeit wurde knapp. Wir Neubürger gehen ja fast nie auswärts essen und ließen uns also von unserem Sudanesen führen. Nur unterschwellig tickte die Uhr, als wir zügig mit Salat, Grillhuhn, Reis und dem guten Bier versorgt waren (wie zuhause in einem etwas angejahrten ausländischen Imbiß kann man es sich vorstellen). Nach kaum zehn Minuten flackerte kurz das Licht, dann nochmal, nur eine Nanosekunde länger, wir wollten die Zeichen nicht erkennen und futterten weiter wie Verhungernde. Doch dann wurde es ernst. Ich glaube schon den ersten Muazzin gehört zu haben, als es traurige (doch eher ungläubig lustige) Gewißheit wurde, daß wir - mitten im Essen - den Laden verlassen mußten. Wer will schon wegen ein paar Ungläubigen Ärger mit den Wächtern der Religion riskieren?! Hier noch schnell ein paar Pommes, etwas Fladenbrot in den Mund gestopft, die zweite Runde noch verschlossener Biere in die Hand und raus. Hinter uns wird hastig die Tür verschlossen, der Laden ist dunkel. Was nun? Zurück ins Hotel und warten.

Um neun schlichen wir wieder los zum einzigen uns bekannten Café, das wir proppevoll vorfanden, Fußball im Fernsehen! Ein Versuch weiter draußen, bei einem sehr viel ansehnlicheren Imbiß, bei dem wir immerhin schon einmal Pizza zum Mitnehmen hatten. Die bessere Wahl - zu spät! Es folgte also nur eine Saftorgie mit Mango, Orange etc., daß ich wieder zu platzen glaubte...um zehn gingen wir auseinander, erschöpft vom aufregenden Abend.

Der Ruf des Muazzins -
[Dienstach, 09. Rabi'II 1426 - 17. Mai 05]

Der Muazzin weint nicht. Der Muazzin singt nicht. Auch wenn es wie eine Melange daraus erscheint. Beides wäre unpassend und Musik ist in der Öffentlichkeit auch verboten.
Was macht er? Er ruft seine Jünger zum Gebet, Allah ist groß, und sie strömen herbei. Sie werden farbenblind und rasend wenn es dem Sonnenuntergang zugeht. Unglückliche Ungläubige werden im dunklen Supermarkt eingeschlossen. Dann steht alles still, die Straßen sind leer. Tiefflieger von links.

Zwanzig Minuten später Entwarnung. Der Muazzin entläßt die Seinen bis zum letzten Gebet des Tages. Und erst danach ist die Zeit zum entspannten Einkaufen.

Hock-Klo mit Arschdusche vs. Sitzklosett - 08. Rabi'II 1426

Das Thema geht wohl manchem am Arsch vorbei. Scheißegal! Es muß raus!
Hier drüben, in meinem temporären Refugium, geht die Scheide der Welten mitten durch das Bad und teilt es haarscharf zwischen den Klos. Abendland trifft Morgenland, eine Zwischenwelt, Schnittmenge zweier Universen, Treffpunkt der Familien Bin Laden und Walker Bush.
Während in der westlichen Welt (hier rechts) in bewährter Weise entspannt sitzend kuscheliges 28-lagiges holzsplitterfreies Hygienepapier rollenweise dem Orkus amheimgegeben wird um sich nach Abschluß großen Geschäfts wie frisch gewaschen zu fühlen, ist man diesbezüglich weiter östlich (links im Bild) von der irren führenden Werbung noch unverdorben, sind die Beine trainiert und keine kolorierte Zellulose verstopft die Unterwelt. Hier wird noch wirklich Hand angelegt, vorzugsweise die linke. Unentbehrlich dabei ist die allgegenwärtige Arschdusche, gern - wie im gezeigten Beispiel - "Made in Norway by oras Finland", doch das bleibt nicht die einzige Reminiszenz ans ach so ferne Europa. Ein geschulter Blick auf die vortrefflich dicht schließende Verschraubung des wohlgeformten und farblich perfekt abgestimmten Schlauches läßt das Patriotenherz höher schlagen (oder ist es das Drücken?): "Made in Germany" läßt die Prägung uns wissen! Hier hat deutsche Wertarbeit noch einen Namen und man zahlt gern etwas mehr, um hochproduktive Arbeitsplätze geschulter Facharbeiter zu erhalten. Die Abziehvorrichtung wiederum (nicht im Bild) mutet klassisch an. Die aus rostfreiem Kunststoff gefertigte Kette hält verzweifelten Kraftakten nicht immer stand. Nicht zuletzt zu nennen ist der Dreh- und Angelpunkt allen Geschehens, windschnittig eingebaut läßt das glänzende Porzellan keinen Komfort vermissen, angefangen von den rutschsicheren Fußrasten. Insgesamt also eine gelungene Komposition aus technisch Machbarem und langjährig Erprobtem.
Doch wie entscheidet sich der Scheißer, wenn er diese Qual der Wahl hat? Eher klassisch oder doch für nasse Füße? Die Antwort ist klar... Guten Abend.

Frei-Tag -
[Freitach, 05. Rabi'II 1426 - 13. Mai 05]

Ein freier Tag! Auf nach Westen, wo hinter der Bergkette das Rote Meer harrt (leider zu weit weg)! Der Gebirgszug erstreckt sich schier unendlich! Irgendwo oben im Norden erhebt er sich und reckt seinen krummen Rücken nach Süden hin immer höher. Von unserer Basis müssen wir erst einiges an Wüste durchfahren, die ausgetrockneten Flussbetten liegen träge unter den Brücken. Das Höhenmeter im Auto klettert mit uns bis etwa 2200m, es wird grüner und angenehm kühl (minimal 23°C). Hinter Al-Irgendwas muß man sich entscheiden: In den Süden Richtung Abha oder in den Norden Richtung Taif. Also wir nehmen Antwort B und balancieren auf der Bergkette nach Norden. Wir heizen die M15 entlang, Serpentinen rauf und wieder runter. Irgendwie scheint immerzu Gebetszeit zu sein, denn die Städte sind wie ausgestorben. Daher suchen wir das Heil in der Landschaft. Überall stehen diese alten Türme, deren Nutzen uns noch verborgen ist (Wachtürme?). Müll und totgefahrene Reifen und Autowracks säumen die Serpentinen. Am letzten Parkplatz, unserem Umkehrpunkt, klettert eine Pavianbande vorsichtig über die Leitplanke. Mit etwas Geduld und Gebäck haben wir sie irgendwann auf Schußweite unserer Dreifach-Zooms. Was 'n Fototermin!
Rückweg. In den Niederungen Wadi an Wadi. Ein Wadi ist, wie jeder weiß, ein Flußbett, das hin und wieder Wasser führt, dann aber mit Karacho. Momentan sind fast alle trocken und man kann die Reifenspuren der Abenteurer sehen, zu denen auch wir kurz gehören. Ich schalte diesen kurzen Hebel auf '4HLc' und wir brausen auf dem Schotter verschiedener Körnung dahin, natürlich bar jeder 'Offroad'-Erfahrung. Die erwartete Pointe muß ich schuldig bleiben, kein Steckenbleiben, Überschlagen, Umfallen, erster Test harmlos.

Ganz schön affig - 05. Rabi'II 1426

überraschenderweise erwartet uns an der Fahrerwechselstation ein Haufen Paviane, die aber, als wir aus dem Auto steigen, vorsichtig werden. Erst unser Gebäckvorrat kann sie näher zur Linse ziehen. Als ein großes Stück Fressi zwischen die zwei Männchen fällt, gibt es eine Rauferei. Ein kleiner Frechling turnt auf dem Auto herum. Und viel zu früh ist alles verspiesen, das meiste haben natürlich die Kerle abgefaßt, niemand anderes wagt in ihrem Beisein zuzugreifen. Wir überlassen die kleinen Lümmel wieder ihrer Lieblingsspeise, bunten Plastiktüten.

Zwei Nasen -
[Donnastach, 04. Rabi'II 1426 - 12. Mai 05]

Klimper. ...'und "Wer zwei Nasen will, sollte sich mit einem Auge begnügen" waren ihre Lieblingssprüche...' klimperklimper. Hmm. ...'sollte sich mit einem Auge' was - wie war der Anfang des Satzes? Hmm. Kann die Augen kaum offenhalten. Wie soll ich denn die ganzen Bücher lesen, wenn ich schon um halb zwölf wegdämmere! Ich glaube an den Spruch, den andere für eine meiner Binsenweisheiten halten mögen, nämlich, daß ein erwachsener Mensch nicht mehr als acht Stunden Schlaf braucht und alles darüber nur schlapp macht. Ob ich länger durchhalte, wenn ich das Zimmer runterkühle? Hmm, es hat keinen Sinn mehr. Also schnappe ich mir die elektrische Zahnbürste, schmiere von der kostbaren Sensodyne eine kleine Wurst drauf und los geht's. Dreißig Sekunden für jeden Abschnitt. Mein Puls beschleunigt sich, weil die Bürste schon bockt, als ich noch im ersten Abschnitt bin. Ich will doch die Weisheitszähne besonders gründlich putzen, zwei dieser Lümmel hat der Zahnarzt schließlich letztens wie Nachkriegsruinen ausgehöhlt. Hektik, schon die Hälfte der Zeit um. Muß ich innen schneller sein. Der Puls jagt, gut, habe Zeit rausgeholt und bearbeite gerade die Zunge mit der Massagefunktion als die Bürste vollends ausrastet. Geschafft! Mein Herz buppert. Ich leg mich hin. An Schlaf ist nicht mehr zu denken, die Müdigkeit hat sich in der Zahnpasta aufgelöst und ich hab sie damit ausgespuckt. Ich dreh mich auf die andere Seite. Unweigerlich fallen mir noch ein paar Sachen zur Arbeit ein, die schreib ich besser auf, sonst spuken sie mir die ganze Nacht im Kopp rum. Der Wecker zeigt inzwischen halb eins (als ich zum dreiundzwanzigsten Mal raufgucke). Ja, kommen wir nochmal zu der Stelle mit den zwei Nasen, nochmal den Nabokov her, wie war das?
Um drei lege ich das Buch weg, jetzt is Schluß, Licht aus, Augen zu, keinen Mucks. Unmerklich übermannt er mich dann doch noch, der Morpheus mit seinem Sandsack.
Arrgh! Ich schrecke hoch. Fünf vor halb! Die Jungs scharren mit den Füßen! Katzenwäsche, Frühstück schnell zusammengepackt, Zähneputzen dauert zu lange, Schuhe an und runter.
Nanu, die Sessel am Eingang leer, keiner da außer dem Sudanesen von der Rezeption, der seinen Hals zum Fernseher reckt, Assalaam aleikum. Das Licht ist so anders...ein einsamer Groschen fällt und läßt mich grimmig grinsen - wie spät ist es noch? Halb? Halb sieben, nicht halb acht. Klasse. Ich tapse kopfschüttelnd nach oben und verputze geruhsam das in Eile geschmierte Brötchen beim Frühstücksfernsehen. (Episode vom Dienstag)

Eisheilige -
[Mittwoch, 03. Rabi'II 1426 - 11. Mai 05]

Ich spüre die Eisheiligen. Wie sie sich am Morgen in das Frühstücksfernsehen schleichen und mit einem beschissenen Sommer drohen. Die Gänsehaut zieht sich langsam, gaanz langsam den Rücken runter, bis sie in die Ansammlung der Schweißtropfen rauscht, die mich überlegen machen ob ich nicht doch die Klimaamlage anschalten soll um ein bißchen mit euch zu leiden. Auch wenn die Temperaturen merklich steigen und sich Auto, Blechwände und Nacken jeden Tag stärker aufheizen, ist es noch auszuhalten, die Luftfeuchte fehlt. Woher soll sie auch kommen, seit der letzten Erwähnung von Regen sind...über 3 Wochen vergangen. Hmm, da merkt man doch wieder wie sie vergeht, die liebe Zeit. Und erstaunt fragt ihr mich dann: 'Wie lange warst du eigentlich weg?'.

Bildungsauftrag -
[Sonntach, 29. Rabi'I 1426 - 08. Mai 05]

Es gibt auch heute was zu meckern: Der Bildungsauftrag wird im Fernsehen meiner Meinung nach mittlerweile etwas zu ernst genommen. Voxtours fragt ernsthaft: "Wie heißt die Hauptstadt von Vietnam?? A: Hanoi oder B: Helsinki!!!" Und es gibt auch etwas zu gewinnen! Also ich sag B, hört sich irgendwie vietnamesischer an. Gestern bei RTLs Deutsch-Test war die Herausforderung nicht geringer: "Was wird bei einem Diktat abgefragt?? A: Rechtschreibung oder B: Vokabelkenntnisse?". Also, ich für meinen Teil bin schon solange aus der Schule raus, daß ich das nicht mehr weiß. Keine 5000€ für mich.

Irgendwann muß man "nach Hause" - 27. Rabi'I 1426

Die Sonne hat bei meinem Umherstolpern durchs Grün unbemerkt ein paar meiner Synapsen aufgelöst, sie sind einfach wie Spuckefäden verdunstet. Doch das merke ich erst jetzt, da ich in der fahrenden Schrankwand talwärts rausche, immer den zwei anderen Rasern hinterher und noch einen im Schlepptau, der ständig bummelt. Wir sind spät dran, die Sonne eilt und schlägt gleich in der Wüste auf. Eigentlich wollen wir vor dem Dunkelwerden ankommen, klappt aber nicht. Ich bin vom Fahrgeräusch wie in Trance, aber hier müssen die Augen ständig kreisen, Rückspiegel (um die Karawane nicht auseinanderreißen zu lassen), Seitenspiegel (um die Lausejungs zu sehen die mit Karacho überholen wollen), voraus (um entgegenkommenden Geisteskranken auszuweichen und an den Schnarchern vorbeizuziehen). Die kleinen Fahrbahnmarkierungskatzenaugen rattern. Der beschissen gedämpfte Innenraum läßt mich die Musike nur erahnen, die ich schon auswendig kenne. Dann irgendwann ist es geschafft. Die Viererkarawane - drei Schrankwände und ein Japaner - hat die Karawanserei erreicht und die Reiter können absitzen.
[Nachtrag 28.Rabi'l: Surreal, das ist vielleicht ein treffendes Wort für die verbliebene Erinnerung daran, wie wir mit 140km/h (erlaubt sind maximal 100) die 250km "talwärts" geritten sind, auf der zweispurigen Straße mit dem breiten Standstreifen, auf den man ausweicht wenn ein noch Schnellerer vorbeirauscht. Es handelt sich dabei oft um minderjährige Jungs (Frauen dürfen hier bekanntlich nicht autofahren, aber 3 Schritte hinter dem Mann herlaufen) in klapperigen PKWs, aus denen alles rausgeholt wird (aus den PKWs...), Überholverbote oder Geschwindigkeitsbegrenzungen sind langweilig. Vorbilder für die drastischen Auswirkungen der Fahrweise stehen in der Wüste verstreut. Ich glaube, ich war in der fahrenden Schrankwand teilweise wie in Trance...]

"Sonntags"-Ausflug -
[Freitach, 27. Rabi'I 1426 - 06. Mai 05]

Zum Wochenende waren wir in der, ehm, Stadt. Name: Khamis Mushayt, ca. 250km südlich von hier und etwa 2200 Meter über Meereshöhe (damit ca. 1000m höher als hier). Recht ungewohnt für uns Hinterweltler, soviele Menschen und Autos und all das. Mit Straßenschildern ist einem da auch nicht gedient, lediglich auf dem Lande gesellt sich zur Nudelschrift ein englischer Begriff. Mir brennt der Nacken, Stirn und Unterarme sind auch nicht verschont geblieben. Bin eben doch kein Wüstensohn und hab mir beim 'Sonntags'-Ausflug den Pelz verkokelt. Und: Saudi-Arabien ist nicht nur Wüste! Von K.M. in Richtung Abha, zum Bleistift, nochmal ein paar hundert Meter höher sind wir die Serpentinen 800 Meter runter und wieder rauf. Im Naturpark beobachteten uns Paviane, blieben aber friedlich. Die angebotenen Bananen verschmähten sie nicht, da wir sie davon abhielten durch die geöffneten Fenster zu springen, setzten sich auf die Motorhauben...Aber irgendwann muß man wieder "nach Hause". Nun, da wir ein paar Wüstenmobile abgestaubt haben, können wir auch die Beduinen abseits der Asphaltpisten zum çay beehren.

Graffiti in Nudelschrift - 27. Rabi'I 1426

Im grünen Teil des Königreichs stand sie einfach so rum, diese besprühte Felswand. Umrahmt von Grün und dem allgegenwärtigen Bunt, dem Bunt der lustig bedruckten Chipstüten und Wasserflaschen, Coladosen, Plastiktüten und unzählbar vieler anderer interessanter Beweise zivilisatorischen Gleichmuts (andernorts werden die Schönsten vom unwirschen Wüstenwind auf Äste gespießt, er macht sich einen Spaß daraus die Ödnis zu verschönern). Ich kann mir gut vorstellen, daß die zahlreichen Paviane die Sprüher waren, um ihren Dank dafür auszudrücken, denn mit Wonne kauten sie auf dem glitzernden Zeug herum. Ohne arabischen Schriftgelehrten wird das für mich eine Vermutung bleiben.

Putzerich -
[Mittwoch, 25. Rabi'I 1426 - 04. Mai 05]

Heute hat auch der Putzerich unser Büro gefunden, und während die großen Wüstensandkrümel klingelnd in seinem Staubsaugerbeutel verschwanden, deckte er uns hintenraus mit dem Feinstaub ein...dabei ist das garnicht nötig, der dringt so schon durch alle Ritzen. Wenn dann noch eine Windhose vorbeistromert...

Tag der Arbeit -
[Sonntach, 22. Rabi'I 1426 - ersta Mai 05]

Endlich Feiertag! Aber ich drücke mich im Büro rum, während ihr stolzen Vertreter der Arbeiterklasse rote Nelken schwenkend am Haus des Lehrers vorbeimarschiert...glücklicherweise hab ich was zu tun, sonst würde ich Zeit finden, mich über diese aufregenswerte Sendung "Typisch Deutsch" im Zweiten Deutschen Fernsehen von gestern aufregen. Wat'n Scheiß! Sicher gehört kein Vertreter des geschätzten, wenn auch mikroskopisch kleinen Leserkreises zu den Zuschauern des ZDF, sowas guckt man ja nich mehr, oder?! Es wurden Fragen gestellt, das Saalpublikum hatte sich dann unter vier Antworten zu entscheiden und alles wurde zusammengerechnet und mit einer Repräsentativen Umfrage verglichen, die das typisch Deutsche herausgefiltert haben wollte. Und das ohne Werbepause. Ich hielt durch, als die Frage "Würden sie für neue Möbel Schulden machen?" kam, und Die Deutschen - wie immerwieder von den Moderatoren treudoof betont - laut der Repräsentativen Umfrage überwiegend für "Nie" stimmten. [Heute sehe ich eine Reportage zur Schuldnerberatung, erzählt wurde von, naja, normalen Leuten die den Verlockungen des Konsums auf Kredit erlegen waren.] Ich hielt durch, als Die Deutschen auf die Frage nach dem beliebtesten Mittagsmahl von den vier Möglichen Haxe mit Sauerkraut, leichter Nouvelle Cuisine, Buntem Salat und Burger mit Pommes den Salat haushoch favorisierten! Was'n Quark! Nur Undeutsche also, die da in der Kantine Menü 1 wählen! Leider hab ich vergessen, bei welcher Frage ich die Geduld verlor, aber sicher bin ich, daß diese Repräsentative Umfrage wiedermal das "Ach, so würde ich wenn ich nur könnte" ausdrückt, gell Fiesta!

...noch tiefer in die Vergangenheit.